9.4.1241
Die Schlacht bei Liegnitz

Eine Schlacht ohne besondere Folgen wurde zum umstrittenen nationalen Symbol

Nach der Eroberung weiter Gebiete von China bis Persien machten sich die Mongolen ab 1237 an die Eroberung Rußlands und Europas. Unter der Führung von Dschingis Khans Enkel Batu, dem der nordöstlische Teil des Reiches zugesprochen worden war, gelang bis 1240 die Unterwerfung der russischen Fürstentümer. Im Anschluß wurde der Krieg weiter in den Westen getragen, dessen erstes Hauptziel die Eroberung Ungarns war. So wandte sich Batu mit 50.000 Kriegern gegen Ungarn, während eine weitere Abteilung mit 10.000 Mann weiter im Norden die Flanke des Hauptheeres sichern sollte.
Dieses kleinere Korps besiegte die sich ihm entgegenstellenden Aufgebote, brannte das noch unbefestigte Krakau nieder und zwang die Bewohner Breslaus, sich auf der Dominsel zu

Schlacht bei Liegnitz 1241
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Die Schlacht bei Liegnitz

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verschanzen. Es zog weiter die Oder hinauf und stieß schließlich am 9. April bei der Kastellanei Liegnitz auf das Heer Herzog Heinrichs II. von Schlesien. Obwohl ein sehr starkes böhmisches Heer nur einen Tagesmarsch entfernt war, stellte sich der Herzog mit ca. 2000 Mann, darunter schlesische, großpolnische, Krakauer, Johanniter-, Templer- und

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Schlesien 1000-1918
Schlesien
Tannenberg Grunwald
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Schlacht bei Grunwald 1410

einzelne Deutschordensritter, den Mongolen entgegen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wandten die Steppenkrieger ihre bewährte Taktik an und täuschten eine wilde Flucht vor, um die Schlachtordnung des herzöglichen Heeres aufzulösen und es anschließend zu umzingeln, wobei sie auf die Überlegenheit ihrer beweglichen Pferde und ihrer weittragenden Bögen

bauen konnten. Der Großteil der Ritter und Fußsoldaten kam ums Leben, unter ihnen Herzog Heinrich. Nachdem sie vergeblich gegen die Burg Liegnitz angerannt waren, zogen die Mongolen plündernd und brandschatzend über Mähren nach Ungarn, um sich wieder mit ihrem Hauptheer zu vereinigen. Nur drei Tage nach Schlacht bei Liegnitz besiegte Batu bei Mohi das zahlenmäßig stärkere Aufgebot des Ungarnkönigs Bela II. und verheerte anschließend weite Teile Ungarns. Offenbar gab er schon bald den Plan auf, noch weiter nach Westen vorzustoßen, da die eigenen Verluste beträchtlich waren. Als im fernen Stammland auch noch der Großkhan Ögödei starb, zog sich Batu endgültig in sein Hauptlager an der Wolga zurück, um von dort Einfluß auf die Nachfolgeregelungen zu nehmen. Besonders innere Zwistigkeiten verhinderten, daß die Mongolen einen weiteren ernsthaften Versuch unternahmen, nach Mitteleuropa vorzustoßen. Der Ort der Schlacht erhielt bald den Namen Wahlstatt, wörtlich „Leichenfeld“, was den tiefen Eindruck des Geschehens auf die Zeitgenossen widerspiegelt. An der Stelle, wo

die heilige Hedwig nach der Überlieferung den Leichnam ihres herzöglichen Sohnes fand, entstand eine Kapelle, aus der sich im 14. Jh. das Benediktinerkloster Wahlstatt entwickelte. Soweit die mit einiger Sicherheit für uns greifbaren Fakten. Schon bald nach der Schlacht, deren Opfer zu Märtyrern erklärt wurden, entwickelten sich Traditionen, deren Wahrheitsgehalt sehr unsicher ist. So sollen die Mongolen den Kopf des Herzogs auf eine Lanze gespießt und vor die Mauern von Liegnitz getragen haben. Der im 15. Jh. schreibende polnische Chronist Jan Dlugosz hebt den polnischen Beitrag zur Schlacht hervor und legt dem Herzog polnische Worte in den Mund. Ein Jahrhundert später beginnt die Stilisierung der Schlacht – einer Niederlage! – zur Rettungstat für die gesamte Christenheit. Polnische und schlesische Adelige mehrten ihr Ansehen, indem sie sich auf Teilnehmer an der Schlacht bei Liegnitz zurückführten, und noch Blücher wurde zum Herzog von Wahlstatt erhoben. Im 19. Jh. geriet

die Erinnerung an Liegnitz in das Spannungsfeld zwischen deutscher und polnischer Nationalhistorie, die dem Heer Heinrichs jeweils einen deutschen bzw. polnischen Charakter gaben. So meinte Colmar Grünhagen in seiner „Geschichte Schlesiens“von 1884, der Tod der „Streiter der Thermopylen“ sei „die Bluttaufe der deutschen Pflanzung hier im Osten, ein erstes ruhmvolles Blatt ihrer Geschichte“ gewesen. Die polnische Krakauer Schule machte Liegnitz zum Beginn des polnischen Vorkämpfertums für das Abendland. ZitatNach der Entspannung des deutsch-polnischen Verhältnisses in den dreißiger Jahren mutierte die Schlacht zur „Erinnerung an gemeinsame Waffentaten“, ehe sie nach Kriegsbeginn unter erheblichen Verfälschungen zur gänzlich deutschen Ruhmestat im Kampf um den „deutschen Ostraum“ erklärt wurde. Nach 1945 diente sie wiederum in Polen der Rechtfertigung der neuen polnischen Westgrenze, während sie heute Gegenstand gemeinsamer Bemühungen polnischer und deutscher Historiker geworden ist.

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